Alle Räumlich-
keiten Westwerks sind barrierefrei
zu erreichen.
Westwerk wird freundlich unter-stützt von der Behörde für
Kultur u. Medien Hamburg.
Westwerk ist Mitglied im Clubkombinat Hamburg e.V.
Fotos: Maximilian Robert Schneider, Pedro Anguila, N. N.
»Our Other History«
(Will Oldham)
Im vergangenen Oktober spielte Bonny Prince Billy, auch bekannt als Will Oldham, auf Kampnagel
ein atemberaubendes Konzert in der großen Halle.
Zu Gast in seiner Band war der australische Singer-Songwriter Ned Collette, der den Abend solo unter Applaus eröffnet hatte. Im Westwerk spielt Colette
nun mit ganzer Band, für das neue Album »Our Other History« schrieb Will Oldham die Liner Notes:
»Das meiste, was den Platz in den Plattenläden in der westlichen Welt einnimmt, wird wie genannt? Rock/Pop? Und erschreckenderweise gehören dazu auch Platten, in die ich Herz und Seele gesteckt habe. Ich bin meist entmutigt und deprimiert angesichts
des Mangels an Kontext, der in diesen Läden zur Verfügung steht. Ein Album mit Songs, okay. Was bekommen wir hier sonst noch über die Platten mit? Vielleicht gibt uns der eine oder andere Songtitel
eine Ahnung, womit wir es zu tun haben, warum wir zuhören sollten, und was passieren könnte, wenn wir es täten oder auch nicht. Weil das für mich nicht mehr genug ist, gehe ich gleich zur Abteilung mit ›Gospel‹ oder ›Weltmusik‹ oder mit ›Experimentellem‹, um wenigstens einen Hauch von Kontext zu ergattern, während ich mich durch die Auswahl an Kandidat:in-nen wühle, für die ich Zeit und Geld investieren würde. Geld, Zeit und Geist.
In so einem Geschäft für alles und nichts hätte
ich Neds Musik vielleicht gar nicht gefunden. Aber dann hat mir mein Freund Ryan Davis vom Label Sophomore Lounge eine von Neds Platten gegeben. Und daraufhin habe ich letzten Sommer einen Auf-
tritt von Ned gesehen, hier in meiner Heimatstadt Louisville, Kentucky. Auf einem Hauskonzert, beglei-
tet von der Violinistin Elizabeth Fuchsia, einer sehr
guten Freundin. Und es war magisch, alchemistisch, eine Erleuchtung und Inspiration. Ich erlebte Neds und Fuchsias überwältigende musische Gewandtheit. Ihre Fähigkeit, Musik als Medium für die Kommuni-
kation zwischen Künstlern und Publikum zu spielen. Mit Bausteinen, aus denen vielleicht Jazz geformt wurde, die aber erodiert waren und neu aufgebaut wurden.
Die Songs von Ned sind sowohl Lieder als auch Klangstücke. Kunstvolle Konstruktionen in dynami-
schen Arrangements. »Our Other History« ist eine Traumwelt in sich, in der wiederum jeder Song für
sich steht. Das Album ist eines dieser immer seltener werdenden Biester: ein vollwertiger Longplayer, als Ganzes zu erleben. Die Art und Weise, wie sich die Mitwirkenden ihren jeweiligen Instrumenten
widmen, ihren menschlichen Stimmen, haben eine
so entscheidende Wirkung, dass sie jenseits von all dem liegen, was wir als musikalische Parameter empfinden: Sie tauchen wirklich in den Ton und in
das Geschehen jedes Stücks ein.
Wenn ich ein Fach für Plattenläden benennen sollte, in dem wir eine Platte wie diese finden könnten, würde ich es ›Lyric Music‹ nennen. Weil die Lyrics einen großen Teil der Kommunikation transportieren, weil das Wort dominiert und weil es belohnt. Ich höre die Worte und mein Bewusstsein nimmt den Parkour, der durch jede Saite und jede Bedeutung entsteht.
Vor kurzem fuhr ich mit Ryan durch die Ver-
einigten Staaten. Er spielte ›Our Other History‹ im Van. Ich konnte nicht glauben, dass etwas so Schönes auch etwas Neues war. Aber es kann nur neu sein.
Es trägt seine Modernität subtil in sich und es ist für mich eines der schönsten Hörerlebnisse der letzten Zeit.«
Will Oldham, 2024